Theoretische Ansätze zur akuellen Diskussion

Die übergeordnete inhaltliche Zielrichtung, die ich verfolge, lässt sich folgendermaßen definieren: Via Reflexion der Führung und den Abteilungsleitungen, zunehmender Transparenz und Befähigung von Teams werden sowohl die Effizienz in Kommunikation und Abläufen als auch die Identifikation der Belegschaft erhöht. Die Gefahr von Machtmissbrauch und Überlastungen von Mitarbeitenden werden vermindert und die interne wie auch gesellschaftliche Akzeptanz des Betriebs erhöht. In einer ethisch-ausgerichteten Leitungskultur und dieser hoch-professionellen Umgebung werden dynamisch angelegte Lernprozesse ermöglicht, die zu einer nachhaltigen Reaktionsfähigkeit des Betriebs auf externe Forderungen und Wandlungen führen. Die Qualität wird gesteigert, dem von außen kommenden Kostendruck begegnet der Betrieb unabhängig, selbstbewusst und konstruktiv.
Führung

Viele Leitungen von Kulturbetrieben sind nach wie vor mächtigen Traditionen unterworfen: Führung wird von einem Künstler-Mythos geprägt, der mit seiner allumfassenden Potenz leitet, in der Vergangenheit häufig als die Person, die auch die kaufmännischen Entscheidungen verantwortet.: „Kleine Könige“ als letztlich alleinige Verantwortliche für den künstlerischen Erfolg verfolgen den weit verbreiteten charismatisch-patriarchischen Führungsstil. Der funktioniert aber erwiesenermaßen nur in einem Familienunternehmen, das ist z.B. ein Staatstheater mit einer Belegschaft von ca. 300-500 Personen nicht. Dem „Künstler-Ego“ steht heute eine legitime Forderung nach betrieblicher Steuerung und Management entgegen.
Durch klassisch-hierarchische Organisationsmodelle gilt es eine hohe Machtfülle zu verwalten. Eine verstärkte Delegation von Aufgaben und Verantwortlichkeiten würde diese Situation grundsätzlich verbessern. Die normalerweise hohe Identifikation der Belegschaft ist nutzbar für kreative Beteiligungen von Mitarbeitenden: Aktive Partizipation erscheint möglich und kann langfristig den Erfolg des Betriebes sichern, im Sinne einer Inspiration bottom-up.
Transparenz
Für welchen Führungsstil, für welche Leitungskultur sich die Chefetage auch entscheidet: Transparenz der Verantwortlichkeiten, der Abläufe und der Kommunikation ist fundamental für ein modernes, schlankes Management auf Augenhöhe. Künstlerische Betriebe neigen wiederum zu familiären Strukturen, zu Gerüchteküchen und scheuen die klare Absprache. Geheimnisse und Hintergründiges gehören schlichtweg zum Geschäft – leider aber auch unüberprüfte, unreflektierte und wildwuchsartig gewachsene Strukturen, von denen niemand mehr weiß, warum sie sich so entwickelt haben. Diese gilt es zumindest offensichtlich zu machen und zu verbessern im Sinne eines ersten Schrittes in Richtung Qualitätsmanagement.
Befähigung und Partizipation
Möchte ich eigene Überlastungen vermeiden als Führungskraft und im gleichen Zuge die Qualität der Arbeit verbessern, muss ich meine Mitarbeitenden kennen, fördern und teilhaben lassen. Grundelemente der Personalentwicklung können dabei helfen, das beginnt bei dem Verfassen oder Erneuern von Stellenbeschreibungen, die nebenbei als Grundlage für die Verbesserung von Teamabläufen genutzt werden können, weiter über regelmäßige Mitarbeitergespräche, über die Bereitstellung von Weiterbildungen hin zur Einführung von partizipativen Möglichkeiten – ob im konkreten Arbeitsumfeld oder als offizielle Arbeitsgruppen zur kontinuierlichen Verbesserung. Nicht nur Klima und Arbeitszufriedenheit werden so erhöht, sondern es gibt eine realistische Chance auf eine gute Bereitschaft der Belegschaft, zukünftige Veränderungen zu akzeptieren, zu gestalten und eigenständig zu dynamisieren.
Veränderungsmanagement

Die in der Grafik von John P. Kotter beschriebenen Erfolgsfaktoren gelten in Kulturbetrieben wie in jedem anderen Unternehmen und rücken wiederum Beteiligung und Befähigung der Belegschaft in den Vordergrund, genauso wie die Kommunikation des Vorhabens – ein komplexes Thema: Gerüchte sollten vermieden werden, der Beginn der Umsetzung im Betrieb sollte gemeinsam sein, entsprechend muss zentral und gleichzeitig kommuniziert werden – ein eher ungewöhnlicher Vorgang in vermeintlich familiär gestalteten Unternehmen. Dieser Punkt ist ein gutes Beispiel dafür, wie enorm wichtig die richtigen Strategien in Kulturbetrieben sind und wie sorgfältig diese im Vorhinein einzuschätzen und zu planen sind. Auch für kleine Veränderungsprojekte sollte ein detaillierter und gleichermaßen realistischer Zeit- und Umsetzungsplan angelegt werden.
Konzepte zum Lernen in Organisationen

Künstlerische Prozesse sind zu hohen Teilen Lernprozesse, ob im verschlossenen Raum als auch im Kontakt mit der Welt und der Umwelt. Zeitgenössiche Theorien des organisationalen Lernens (also nicht individuell, sondern von ganzen Unternehmen oder Systemen) beschäftigen sich mit diesen Dynamiken, um ihre Abläufe und Strukturen dauerhaft veränderungsbereit zu gestalten. An dieser Stelle seien nur kurz zwei Konzepte vorgestellt: Die fünfte Disziplin von Peter M. Senge, der einerseits eklektisch vorgeht und unterschiedliche Wege und Möglichkeiten des nachhaltigen Lernens vorstellt, andererseits aber in ein systemisches Denken überführt. Ein interessanter Ansatz für eine weiterführende Leitbild-Diskussion und einen neuen Blick auf Kommuniaktion über Ziele und Widersprüche im gesamten System oder in Teams.

Analysiert man gerade größere Kulturbetriebe fällt auf, dass diese komplexen Systeme häufig eine Zweiteilung aufweisen in den stehenden Betrieb und die künstlerische Produktion. Ein gutes Beispiel für ambidextrische Systeme sind Theater, die historisch so gewachsen sind. Moderne profit-Betriebe setzen heute erstmalig ambidextrische Konzepte um, um Spannungen zwischen innovationsorientierten und sicherheitsliebenden Abteilungen zu minimieren, bzw. Experimente genügend Raum zu geben bei gleichzeitiger Bewahrung des Erfolgreichen. Für Kulturinstitutionen ist es vor allem interessant, sich die Ambidextrie als positiv und gewinnbringend bewusst zu machen, mit einem speziellen Fokus: Zwischen den getrennten Bereichen laufen sehr viele Mitarbeitende hin und her, überbringen Botschaften, suchen nach Kompromissen, versuchen zu vermitteln. Diese Gruppe, die „zwischen den Händen sitzt“ ist häufig überlastet, überfordert und erfährt keine angemessene Wertschätzung, weil nicht ausgesprochen klar ist, wie dringend beide Seiten sie brauchen. Letzlich ist diese Gruppe aus „Boten“ strukturell zu vergrößern, zu entlasten, damit sowohl Exploration als auch Exploitation ihre Aufträge professionell erfüllen können.